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Balkonverglasung Stockwerkeigentum

Stockwerkeigentum Balkon

Anhand eines gängigen Beispiels aus dem Alltag soll einmal verdeutlicht werden, dass es oftmals ein weiter Weg vom Recht haben über sich Recht nehmen bis hin zu Recht bekommen sein kann.

16 Juli 2015

Ein Stockwerkeigentümer im Mehrfamilienhaus hat seinem familiären Nachwuchs zwei Schildkröten geschenkt. Die werden in einem überschaubaren, vier Quadratmeter grossen Gehege gehalten, das auf dem zum Stockwerkeigentum gehörenden Gartensitzplatz aufgestellt worden ist. Das geschah in Eigeninitiative, also ohne Konsultation der anderen Stockwerkeigentümer. Für sie stellt sich die Frage, ob ihr Stockwerkeigentümer rechtens gehandelt.

Stockwerkeigentümer sind, vergleichbar mit Wohnungseigentümern, keine Einzel-, sondern Gemeinschaftseigentümer an der Liegenschaft. Zu der gehören das Grundstück sowie die Immobilie. Vergleichbar mit der Hausordnung für die Mietwohnungen in einem Mehrfamilienhaus gibt es auch für Wohnungs- und für Stockwerkeigentümer eine rechtliche Grundlage zur Eigentumsverwaltung. Das Entscheidungsgremium sind die Stockwerkeigentümer selbst, die sich mit Sitz und Stimme in der Eigentümerversammlung treffen. Deren Hauptaufgabe ist die Überwachung der ordnungsgemässen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Stockwerkeigentümer nutzen also einerseits ihr eigenes, im Grundbuch eingetragenes Eigentum, und andererseits das Gemeinschaftseigentum. Das Eigentumsrecht gliedert sich in die beiden Begriffe

  • zwingend gemeinschaftlich
  • Sondernutzungsrecht

Zwingend gemeinschaftliches Eigentum sind diejenigen Teile der Wohnanlage oder Siedlung, die allen Stockwerkeigentümern gemeinsam gehören; sie dürfen nur mit Zustimmung der Stockwerkeigentümergemeinschaft verändert werden. Das sind im Wesentlichen

  • der Grund und Boden der Liegenschaft
  • der Garagenplatz
  • der Spielplatz für Kinder
  • das Gebäudefundament mit tragenden Mauern, Gebäudedach und Fensterfronten

Als Sonderrecht werden bestimmte Liegenschaftsbereiche ausgewiesen, an denen jeder Stockwerkeigentümer ein Sondernutzungsrecht hat. Seine Stellung ist hier mit der eines Alleineigentümers vergleichbar. Dazu gehören• die eigene Wohnung mit Gebäudeteilen, Ausstattung und Einrichtung

  • der Balkoninnenbereich
  • Nebenräume in Keller- und Dachgeschoss sowie abgeschlossene Garagenboxen
  • die nichttragenden Zwischenwände sowie die von den Hauptleitungen abzweigenden Nebenleitungen

Diese Rechte werden allesamt namentlich erfasst und in einem Eintrag, dem sogenannten Reglement, zu einem Sonderrecht erklärt. Das geschieht in der konstituierenden Sitzung der Stockwerkeigentümerversammlung mit der qualifizierten Mehrheit von mehr als fünfzig Prozent der abgegebenen, gültigen Stimmen. Mit der Abtrennung von Sonderrechten vom Gemeinschaftseigentum wird gleichzeitig auch die Kostenträgerschaft entschieden. Das ist für äussere Gebäudeteile von besonderer Bedeutung. Gehört beispielsweise eine Balkontür zum Gemeinschaftseigentum, dann müssen fällige Reparaturkosten von allen Stockwerkeigentümern gemeinsam getragen werden; ansonsten von demjenigen, dem das Sonderrecht zugeordnet ist.

Aber auch bei einem Sondernutzungsrecht sind die dazu Berechtigten nicht frei in der Entscheidung, wie sie ihr Recht nutzen und ausüben. Über ihrem eigenen, individuellen Interesse steht das Gemeinschaftsinteresse. Das Sondernutzungsrecht muss immer rechtmässig, es darf nicht rechtswidrig oder zweckentfremdend ausgeübt werden. Ein Gartensitzplatz ist das, was er ist und ausdrückt: Ein Platz zum Sitzen im Garten. Wer eine Gartenwohnung besitzt, der kann sie nach eigenem Ermessen möbilieren, er darf an den Fenstern Blumenkästen anbringen, und er darf auch einen Gartengrill aufstellen. All das ist zweckentsprechend. Ansonsten ist die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft erforderlich, besser noch deren vorherige Einwilligung. Dabei geht es immer um das äussere Gesamterscheinungsbild der Liegenschaft. Die Entscheidung darüber liegt im Kompetenzbereich der Stockwerkgemeinschaft respektive der Eigentümergemeinschaft. Im Endeffekt ist das von der Eigentümerversammlung beschlossene Sonderrechtnutzungsreglement ausschlaggebend dafür, wie eng oder weit die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des einzelnen Nutzungsberechtigten tatsächlich sind.

In diesem konkreten Fall des Schildkrötengeheges auf dem Gartensitzplatz ist ganz zweifelsfrei das Gemeinschaftsinteresse an der Liegenschaft betroffen. Es liegt ein Verstoss gegen das Sonderrechtsnutzungsreglement vor. Das Aufstellen des Geheges ist ein nicht zulässiger gestalterischer Eingriff, durch den das Gesamtbild der Eigentumsanlage beeinträchtigt wird. Diese Situation kann nur durch einen nachträglichen, zustimmenden Beschluss der Eigentümerversammlung bereinigt werden. Bei einem Ja kann alles so bleiben, wie es ist; anderenfalls muss der Stockwerkeigentümer das Gehege beseitigen und den bisherigen Zustand wiederherstellen.

Zur Verdeutlichung werden nachstehend beispielhaft einige von der Eigentümerversammlung zustimmungsbedürftige Nutzungen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet:

  • Anlegen eines Biotops
  • Anlegen von Zier- und Nutzbeeten
  • Anpflanzen/Beseitigen von Bäumen und/oder Sträuchern
  • Aufstellen von Gartenhäuschen, Tiergehege, Trampolin
  • Einzäunen eines Gartensitzplatzes
  • Ersetzen von Rasen durch anderen Bodenbelag wie Kies, Platten, Düngererde
  • Installieren einer SAT-Schüssel
  • Installieren von Spielplatzgeräten
  • Veränderung der Grösse eines Gartensitzplatzes
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