Gebäude & Energie
Ein Blitz erhellt den Himmel über einer Stadt.

Künftige Risiken einer verstärkt elektrifizierten Welt

Was die Elektrizität anbelangt, befindet sich der Planet gerade auf der Überholspur. Doch so viele Möglichkeiten sich durch die laufende „Elektrisierung 4.0“ auch ergeben, man hat den Eindruck, dass die Risiken ignoriert werden. Das betrifft auch Bauherren und Hausbesitzer.

10 Juni 2019

Am 19. Februar 2019 wurde den Hauptstadtbewohnern unseres nördlichen Nachbarn eines sehr schmerzhaft bewusst: Vor allem wir, in der sogenannten „Ersten Welt“, neigen mittlerweile stark dazu, Strom als eine Selbstverständlichkeit anzusehen. Fällt er aus, ist der Schreck gigantisch.

Was war passiert? Mutmasslich hat ein schweizerisches Tiefbau-Unternehmen durch mangelnde Vorplanung vor einer Horizontalbohrung dafür gesorgt, dass nicht nur eine 110kV-Leitung, sondern gleich zwei (Haupt- und Reserveleitung) durchbohrt wurden. Ein ganzer Berliner Stadtteil war für über 30 Stunden stromlos.

Ähnliches in Basel: Ein Stromausfall legte das gesamte Tram-Netz lahm, glücklicherweise nur für eine halbe Stunde, denn schon so war das Verkehrschaos enorm.

Beide Fälle sind insofern bemerkenswert, als dass sie überdeutlich die Risiken aufzeigen, die mit einem so tiefgreifenden Elektrisierungswandel und der damit verbundenen Digitalisierung kommen, wie sie vor allem die westliche Welt derzeit erlebt.

Erneuerbare verstärken Ausfallrisiken

Nicht nur in der Schweiz stehen alle Zeichen auf erneuerbare Energien. Doch dies hat alles seine Grenze.

Fakt ist, dass erneuerbare Energien, welche auf Umwelteinflüssen basieren, namentlich Photovoltaik und Windstrom, die einzige Form der Stromerzeugung sind, die sich nicht vorhersagen lässt. Allerdings ist es natürlich eine physikalische Grundbedingung, dass sich Stromerzeugung und -verbrauch jederzeit absolut die Waage halten müssen.

Nun befinden sich nicht nur bei uns derzeit Smart Meter im Rollout, die durch ihre verbesserte und viel zeitgenauere Messung sicherstellen sollen, dass die grosse Flut an eigentlich unvorhersagbaren Einspeisungen besser gelenkt werden kann.

Bloss: schon das läuft europaweit höchst uneinheitlich ab, was den Regelungsaufwand, bis die Smart Meter dereinst vollflächig installiert sein werden, vielfach zu einem Blindflug werden lässt, ihn zumindest aber stark erschwert.

Hinzu kommt jedoch, dass gleichzeitig immer mehr elektrische Verbraucher und private PV-Anlagen in den Alltag einfliessen. Damit haben wir eine Situation, in der sowohl Erzeugung wie Abnahme immer unvorhersagbarer werden. Wann jemand sein Elektroauto, sein Smartphone oder seinen Smart Speaker an das heimische Stromnetz anschliesst, um es aufzuladen, lässt sich nun mal längst nicht so genau vorhersagen wie, dass gegen Mittag viele Menschen die Herdplatten einschalten.

Das Problem steckt hier vor allem in der Tatsache, dass die Zahl der Verbraucher weitaus schneller steigt als die Erzeuger- und Regelkapazitäten nachgeführt werden.

Gesundheitswirkungen werden vernachlässigt

Mit der Zunahme elektrischer Geräte steigt auch die elektromagnetische Strahlung. Wohl jeder Elektroprofi kennt den Begriff des Elektrosmogs. Tatsache ist, wo Elektrizität fliesst, wo Funkwellen existieren, existieren auch automatisch elektromagnetische Felder. Es ist der Grund, warum Leitungen abgeschirmt werden. Warum Funkamateure weltweit über Powerline-Datenverbindungen klagen.

Und Tatsache ist: Es sind längst noch nicht sämtliche Wechselwirkungen der elektromagnetischen Felder auf den Organismus erforscht. Viele staatliche Organe begnügen sich zwar mit einem „alles unbewiesen, kann ignoriert werden“, doch so einfach ist es ganz und gar nicht. Elektrosensible Menschen leiden darunter.

Die elektromagnetische Strahlung, die von elektrischen Installationen im Haus und von der nahen Umgebung ausgeht, lässt sich mittlerweile auch von Laien mit hochempfindlichen Messgeräten detektieren. Bei einer Profi-Messung sollte vom Messtechniker das gesamte Gebäudevolumen miteinbezogen werden. Sind Strahlungsquellen gefunden, lassen sich das Zuhause oder der Arbeitsplatz durch geeignete Sanierungsmassnahmen von Elektrosmog befreien. Auch beim Thema Mobilfunk (Handyantennen) sowie bei Starkstromleitungen ist die Bevölkerung wachsamer geworden und reagiert mit Widerstand.

Es wäre ein Leichtes, dies lapidar mit Technikskepsis oder Fortschrittsfeindlichkeit abzutun. Die Wahrheit ist jedoch, dass auch das BAFU der Ansicht ist, dass es sehr reale körperliche Risiken gibt; dazu muss man keine Verschwörungsseiten im Netz besuchen.

Und das Problem ist, dass mit jedem Elektrogerät, das hinzukommt, jeder WLAN-Verbindung, jeder Mobilfunk-Konnektivität die Zahl der Emittenten steigt. Und dieses Risiko wird gerade auf der Herstellerebene fast schon sträflich vernachlässigt – hier gilt fast ausschliesslich die Maxime „entwickeln und auf den Markt werfen, es zählt nur Innovation“.

Digital öffnet Einfallstore

Dass es künftig sogar zu Stromausfällen kommen kann, ist keine Schwarzmalerei, sondern ein höchst reales Szenario.

Vielleicht haben einige, welche diese Zeilen lesen, den Roman „Blackout“ des Österreichers Marc Elsberg gelesen. Szenario: Hacker greifen die Smart-Meter-Netze mehrerer Länder an und sorgen so für einen europaweit katastrophalen, wochenlang andauernden Stromausfall.

Nun sind Thriller sicher keine Basis, auf der man Zukunftspolitik betreiben sollte; erst recht nicht bei einer Grundversorgung wie der Elektrizität. Aber es lässt sich nicht wegleugnen, dass das Buch auch bei uns in der Riege der Bevölkerungsschützer scharf diskutiert wurde – und das nicht wegen abstruser Inhalte, sondern weil es so erschreckend realistisch ist.

Tatsache ist nun einmal, was in irgendeiner Form mit dem Internet verbunden ist, ist angreifbar – ohne Punkt und Komma. Und just heute fliesst eine nahezu unkontrollierte Masse an internetfähigen Geräten in die Haushalte der Welt ein.

Was heutzutage alles per WLAN angebunden werden kann, lässt sich nur schätzen. Aber Tatsache ist, dass bei sehr vielem davon die Sicherheit gegenüber dem Komfort geopfert wird – und dies hat nicht nur mit mangelndem Passwortschutz zu tun.

Internetfähigkeit geht immer mit einer Anbindung ans Stromnetz einher. Und es sind nicht umsonst weltweit von Forschern über Verbraucherschützer bis hin zu Geheimdienstlern wahre Heerscharen damit beschäftigt, die sich daraus ergebenden Gefahren zu reduzieren. Bislang zwar erfolgreich, aber wie lange noch?

Fazit

Stromerzeugung, Messung und Verbrauch befinden sich derzeit im grössten Wandel seit den Anfangstagen der industriellen Nutzung. Das ist, vor allem mit Hinblick auf den Klimawandel, ein enorm wichtiger Schritt.

Doch so wichtig es auch sein mag, es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bereits dadurch reale Risiken ergeben. Eine möglichst schnelle Umwandlung in Richtung erneuerbarer Stromerzeugung darf nicht zu überhastetem Vorgehen führen; dazu ist das Thema zu bedeutsam.

Leider verhallt diese Botschaft jedoch bei vielen Verantwortlichen ebenso, wie bei Herstellern und Verbrauchern von digitalen Elektrogeräten. Es gehört sicherlich nicht zur Berufsbeschreibung von Elektroprofis, darüber zu informieren – für den einen oder anderen mag es sogar kontraproduktiv klingen.

Aber vielleicht kann es helfen, ein breiteres Bewusstsein für die Probleme zu schaffen. Denn ein „Hauptsache grün erzeugt, dann kann man beliebig viel verbrauchen“, wie es derzeit in vielen Köpfen die Mentalität zu sein scheint, ist einfach bei einem so bedeutsamen Thema die falsche Herangehensweise. „Gut Ding will Weile haben“, sagt ein altes Sprichwort. Und beim grössten Umbau der globalen Elektrik sollte genau das das Mass sein – nicht „Schnell, schnell“.

Artikelbild © Dejan Zakic / Unsplash.com

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