Stockwerkeigentum
Stockwerkeigentümergemeinschaft selbst verwalten

Stockwerkeigentümergemeinschaft selbst verwalten?

Selbstverwalten ist gut, spart Kosten und pflegt das gemeinschaftliche Miteinander?! Die Erfahrung zeigt leider oft ein anderes Bild der Realität. Die Kosten werden durch fehlendes know-how höher und die Gemeinschaft kann nachhaltig gestört werden, doch fangen wir von vorne an.

7 März 2018

Gesetze

Ausschlaggebend für das Stockwerkeigentum ist in erster Linie das Zivilgesetz, dort sind drei Bereiche von Relevanz: Das Vereinsrecht, für alles was mit der Versammlung der Stockwerkeigentümer zu tun hat. Das Miteigentumsrecht, hierauf basiert das Stockwerkeigentum. Es ist insbesondere relevant bei Fragen zu baulichen Themen. Der Bereich Stockwerkeigentum verfügt über zahlreiche dispositive Artikel. Diese können nach Vereinbarung in Verträgen oder per Beschluss auch abgeändert werden.

Weitere Rechtsquellen

Eine neue Eigentümergemeinschaft konstituiert sich anlässlich der ersten Versammlung. Die rechtlichen Grundlagen für Stockwerkeigentum sind längst geschaffen, jemand hatte einmal den Auftrag das (Stamm-)Grundstück zu «zerstückeln» und in Stockwerkeinheiten aufzuteilen. Diese Aufteilung erfolgt im Begründungsakt. Dessen Inhalt ist grob gesagt ein Schnittstellenbeschrieb samt Aufteilungsplänen, es wird unterschieden zwischen gemeinschaftlichen Teilen des gemeinsamen Grundstückes und sogenannten Sonderrechten. Die besagten Sonderrechte sind dann in der Regel die Eigentumswohnungen. Mit anderen Worten gibt der Begründungsakt Auskunft darüber, was allen und was einzelnen Eigentümern gehört. Also eine elementare Rechtsquelle.

Eine weitere Quelle für die Gemeinschaft ist das Benützungs- und Verwaltungsreglement ugs. einfach Reglement genannt. Dort erhält man Informationen über die benötigten Strukturen respektive über die nötigen Organe sowie deren Rechte und Pflichten. Es gibt Auskunft über die Tätigkeiten der Verwaltung, der Delegierten oder Revisoren. Oft sind die Reglemente aber auch sehr oberflächlich, dann sollte die konstituierende Eigentümerversammlung die Aufgaben der zu wählenden Organe selbst festlegen. Am besten hält man sich dabei an die klassische SMART-Formel:

 

SMART Frage Beispiel
Spezifisch Was ist konkret zu tun? Buchhalter: Jahresabschluss mit Bilanz, Kostenverteilung und Steuerausweis
Messbar Welche quantitativen Ziele sollen erreicht werden? Kompetenzsumme von CHF 1’000.00 im Einzelfall/pro Jahr/pro Monat/…
Akzeptiert Sind die Schnittstellen der verschiedenen Funktionen klar? Wer kontrolliert wen? Wer führt wen? Wer ist wem Rechenschaft schuldig?
Realistisch Ist es möglich das Ziel zu erreichen? Übertrieben reduziertes Budget
Terminiert Welche Daten oder Fristen müssen eingehalten werden? Einladungsfrist, spätester Termin einer Jahresversammlung, etc.

 

Eine Hausordnung kann ferner das Zusammenleben in der Nachbarschaft weiter Präzisieren. Dabei sollte die Gemeinschaft darauf verzichten unrealistische oder diskriminierende Vorschriften zu erlassen. Z.B. sind Vorschriften wie: «Die Wohnung darf nicht an Schwarze vermietet werden.» klar diskriminierend und widersprechen der Antirassismus-Norm. «Es darf nur zwischen 08.00 und 12.00 Uhr gewaschen werden» ist für Berufstätige unmöglich einzuhalten.

Als praktizierender Verwalter kann ich Ihnen versichern, dass die Kenntnis dieser Vorschriften die Basis für eine sorgenfreie Verwaltung bilden. Wenn man diese Vorschriften nicht kennt und andauernd mit den Partikularinteressen der Eigentümer konfrontiert wird, kann es sehr anstrengend werden. Als Dozent habe ich meinen Lehrgangsteilnehmern immer gesagt: «Kennen Sie die Vorschriften. Stockwerkeigentümer können Ihre Unsicherheit wittern!».

Weitere Anforderungen

Wenn man selbst verwalten will sollte man immer objektiv darüber reflektieren ob man es auch kann. Kenntnisse in Bautechnik sind das eine, aber Verständnis für Steuerthematik, Buchhaltung, Versicherungen, Finanzen, Projektmanagement, Schuldbetreibung, etc. sind ebensoso wichtig wie psychologisches Fingerspitzengefühl. Als Verwalter sollte man dringend die Fähigkeit besitzen zwischen Eigennutz und den Interessen aller Eigentümer zu unterscheiden. Also auch in der Frage, kleiner Scherz am Rande, um das eigene Portemonnaie und jenes der Gemeinschaft. Die Tätigkeit sollte sich nach ethischen Grundsätzen ausrichten. So wähle ich z.B. die Versicherung mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis und nicht jene, welche mich am besten provisioniert. Gegebenenfalls wäre es angezeigt das Wertemodell der Gemeinschaft ebenso zu definieren wie alles andere hiervor erwähnte.

Fazit

Auf meiner website verwende ich für die Beschreibung von Stockwerkeigentum eine Metapher aus der Seefahrt:

«Bei leichtem Seegang aber auch bei Orkan halten wir das Ruder fest im Griff und segeln weiter den von Ihnen gesetzten Kurs. Die Seekarten kennen wir bestens, das Seerecht ist unser tägliches Brot und die Untiefen dieser seichten Gewässer kennen wir wie unsere Westentasche.»

Fassen wir kurz zusammen: Der Verwalter ist Administrator, Berater und Führer. Er ist unter anderem Banker, Buchhalter, Architekt, Anwalt und Psychologe der Gemeinschaft. Damit beantworten wir kurz die einleitende Frage: «Was muss eine Stockwerkeigentümergemeinschaft wissen um sich selbst zu verwalten?». Es scheint auf der Hand zu liegen: alles und noch viel mehr. Ausserdem braucht es gemeinsame Werte, klare Rechte und Pflichten, Transparenz und Führung mit Fingerspitzengefühl. Ich darf mit meinen bescheidenen 22 Jahren Berufserfahrung sagen, dass Selbstverwaltung nur in den allerseltensten Fällen klappt. Aber scheuen Sie sich nicht es auszuprobieren…

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